#Wrangel77 – Solidarität überwiegt Repression

Am 6.April wurde zum Ende der #mietenwahnsinn-Großdemonstration ein Ladengeschäft in der Wrangelstraße77 besetzt und innerhalb weniger Stunden brutal und ohne rechtliche Grundlage von Innensenator Geisel’s Knüppelbande geräumt. Dieser Text richtet sich an alle unsere Mitstreiter*innen, vor allem an diejenigen, die am Wochenende bei der Besetzung der #Wrangel77 dabei waren.

Wrangel77 / Bizim Bakkal
Die Familie Çalışkan betrieb zuvor in der Wrangel77 das Ladengeschäft Bizim Bakkal. Im Februar 2015 erhielt die Familie nach 28 Jahren eine Kündigung, so dass sie ihre Existenzgrundlage und der Kiez einen Treffpunkt verlor.  Die anschließende Mobilisierung führte zu organisiertem Protest im Kiez (und Gründung der Initiative Bizim Kiez) und im Juli 2015 zum Rückzug der Kündigung. Die andauernde Unsicherheit des Mietvertrages, der psychische Druck und die gesundheitlichen Beschwerden des Inhabers, Ahmed Çalışkan, veranlassten ihn im März 2016 dazu, den Laden dennoch aufzugeben. Der Laden steht seitdem leer. Aktuell wird der Laden für die 6-fache Miete angeboten. Die Wohnungen im Haus sind größtenteils entmietet und sollen in einzelne Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Die voranschreitende Verdrängung im Kiez ist heute an dem Punkt, dass es nicht mehr nur familiärer Einzelhandel ist, der erkämpft wird, sondern allein der Erhalt von Aldi in der Markthalle 9 bereits ein Erfolg wäre.

Warum die Besetzung?
15 Besetzungen unter dem #besetzen wurden im vergangenem Jahr innerhalb weniger Stunden geräumt. Daraus haben wir den Schluss gezogen, dass weitere Besetzungen anders statt finden müssten. Wir wollten es bei zukünftigen Besetzungen schaffen, dass mehr Menschen daran teilhaben können und in vielfältiger Weise Besetzungen aktiv unterstützen.
Am 6. April gingen dann 40.000 Menschen auf die Straße gegen Verdrängung und #mietenwahnsinn. Während sich auf der einen Seite alle Regierungsparteien solidarisch mit der Demonstration erklärten, so ist die Demo für uns vor allem Ausdruck einer wachsenden außerparlamentarischen Bewegung. In der Wohnfrage stehen Berliner*innen zusammen, die Mehrheit findet Besetzungen und Enteignung legitim. Die Demo sollte also eine gute Gelegenheit sein, eine Besetzung durchzuführen zu einem Zeitpunkt, an dem viele Menschen bereits auf der Straße waren. Zum einen hatten wir uns erhofft, dass sich die Besetzung durch die große Menschenmenge halten lassen würde. Gleichzeitig wollten wir bisher unbeteiligten Menschen die Möglichkeit geben, sich an einer Besetzung zu beteiligen. Es gab vor dem Haus Essen & Musik.

Eure Solidarität größer als Repression!
Was die Solidarität der Menschen anging, wurden unsere Erwartungen übertroffen. Nachdem die Besetzung öffentlich wurde, füllte sich die Wrangelstraße zügig. Menschen kamen und stellten sich vor die Eingänge des Hauses um zu verhindern, dass die Polizei dort eindringen konnte. Menschen kamen mit Soundsystemen, um Redebeiträge und Musik abzuspielen. Die Gewerbetreibenden und Nachbar*innen ließen Menschen auf die Toilette gehen und stellten Strom bereit. Mehrere Menschen kümmerten sich um die Anmeldung von drei Versammlungen vor Ort, Anwält*innen, Sanis, Lautis und Nachbar*innen kamen und zeigten sich solidarisch. Hinterhöfe wurden offen gehalten, Bullen zurückgedrängt. Auch zu späterer Stunden riefen Menschen noch beim EA an und informierten diesen über Festnahmen & Verletzte und kümmerten sich um die persönlichen Gegenstände derjenigen, die vor Ort festgenommen wurden.
Natürlich hätte die Besetzung ohne solidarische Menschen und ohne solidarischen Kiez so nicht stattgefunden. Dabei geht es uns aber nicht darum, dass Besetzungen von Solidarität profitieren, sondern eben um das Gegenteil. Im Kampf gegen Verdrängung geht es darum, genau solche solidarischen Kieze und solidarisches Miteinander zu verteidigen und weiter auszubauen. Wir besetzen um solidarische Kieze zu erhalten und sehen in besetzten Räumen die Möglichkeit, die solidarische Stadt von Unten zu stärken. Trotz der Räumung & Polizeigewalt vor der #Wrangel77 und den dreisten Lügen im Nachgang, hat uns die Erfahrung am Samstag insgesamt gestärkt. Wir hoffen, dass es euch auch so geht.

Unsere Darstellung des Geschehens
Wer sich dafür interessiert, wie der Samstag im Detail lief, findet genauere Infos in unsere Pressemitteilungen:
Pressemitteilung zur Besetzung: https://besetzen.noblogs.org/2019/04/06/pm-leerstehender-laden-bizim-bakkal-besetzt/
Pressemitteilung zur Räumung: https://besetzen.noblogs.org/2019/04/06/pm-mietenwahnsinn-besetzter-laden-bizim-bakkal-ohne-raeumungstitel-gewaltsam-geraeumt/
Pressemitteilung zu den Lügen der Cops um ihren Einsatz zu legitimieren: https://besetzen.noblogs.org/2019/04/08/polizei-rechtfertigt-illegale-raeumung-des-bizim-bakkal-durch-falschaussagen/
Foto-Dokumentation des Umbruch Bildarchiv: https://de.indymedia.org/node/31221
Weitere Darstellung der Besetzung: https://de.indymedia.org/node/31098

Anti-Repression – niemand bleibt allein!
Falls ihr am Wochenende festgenommen wurdet oder Festnahmen beobachtet habt, ist es sinnvoll ein Gedächtnisprotokoll anzulegen (eure Erinnerung detailliert aufzuschreiben). Bei Verletzungen könnt ihr diese auch ärztlich dokumentieren lassen. Falls ihr dazu Fragen habt, schreibt uns an: besetzen-soligeld@systemli.org
Falls es euch psychisch/ emotional schlecht geht (Depressionen, Traurigkeit), dann solltet ihr wissen, dass solche Gefühle nach Erfahrungen von Polizeigewalt völlig normal sind. Infos & Hilfe dazu findet ihr hier: https://outofaction.blackblogs.org/?page_id=112. Wenn ihr euch seelischen Support wünscht oder euch einfach gerne mit Menschen treffen wollt um (über die Repression) zu reden, schreibt uns gerne (wir antworten innerhalb ein paar Tagen): besetzen-soligeld@systemli.org
Sobald ihr Post von der Polizei bekommt, meldet euch bei uns, der Roten Hilfe (http://www.berlin.rote-hilfe.de/) oder dem Berliner Ermittlungsausschuss kurz EA (https://ea-berlin.net/)
Sobald ihr einen Strafbefehl erhaltet (gelber Brief, diese kommen meistens frühestens 3-4 Monate nach Festnahme), gibt es mehrere Optionen. Dazu findet ihr Infos hier: https://besetzen.noblogs.org/2019/02/27/besetzen-schon-post-bekommen/

Ihr wart klasse, lasst euch nicht einschüchtern!
Besetzen, bis wir es nicht mehr müssen!